MISS STEAK

MISS STEAK

Ein Stück für Rump, Hack und Steak

Hack:          (ahmt das Geräusch eines Steaks in der Pfanne nach)
Rump:        Ich habe Kondensmilch.
Hack:          Die Flecken im Bett sind von mir.
Rump:        Willst Du was trinken?
Steak:         Was hast Du denn?
Rump:        Cola, Wasser, O-Saft…

Hack:          O-Saft! O-Saft! (ahmt das Geräusch einer Hip-Hop-Gruppe in
                    der Pfanne nach)
Rump:        Ich schiebe einen Gitterwagen durch die Gänge und frage,
                    was mir fehlt.
Hack:          So viel weiß ich. Und so viel steht fest.
Rump:        Ich habe Kondensmilch.
Hack:          So viel weiß ich. Und so viel steht fest.
Steak:         (stöhnt) Oh, ja, tiefer!
Rump:        Davon kann ich ausgehen. Doch wovon soll ich ausgehen?
                    Soll ich Kondensmilch verkaufen?
                    (ahmt das Geräusch einer Hand auf der Kochplatte nach)
Hack:          Er mag wahrscheinlich den Kaffee nicht schwarz.
Rump:        Ich habe Kondensmilch.
Hack:          Die Flecken im Bett sind von mir.
Rump:        Er mag sich wahrscheinlich, weil es sonst niemand tut.
Steak:         Das interessiert mich.

Steak:         Hast Du keine Freundin?
Rump:        Ich habe Kondensmilch.
Hack:          Die Flecken im Bett sind von mir.
Steak:         Du hast schöne Augen.
Hack:          (pfeift eine hübsche Melodie)
Rump:        Machst Du‘s auch von hinten?
Hack:          Fragen, Fragen, immer Fragen.
Rump:        Kann heut‘ noch jemand kommen?
Steak:         (hustet) Brünett, 22. Konfektion 36. Sehr attraktiv.
Hack:          Ich ficke diese Frau.
Rump:        Ich habe Kondensmilch. Ich schiebe einen Gitterwagen
                    durch die Gänge und frage, was mir fehlt. Etwas vergesse
                    ich immer. Meistens Kondensmilch.
Steak:         Und wie alt bist Du?
Hack:          Damit das mal klar ist: Ich liebe die Frauen. Ich liebe ihren
                    Atem, ihren Gang, ihre Körper. Körper! Das sind Haut und
                    Fleisch und Knochen. Greifbare Körper. Und jede Frau sieht
                    anders aus! Jede hat ein anderes Geheimnis, einen anderen
                    Arsch. Die eine trinkt O-Saft, die andere nicht.
Steak:         Soll ich mich ausziehen?
Hack:          Nur nicht schüchtern, alter Junge. Du bist hier der Herr im
                    Haus – und ziehst jetzt deine Hosen aus.
Steak:         Malst Du?
Rump:        Ein bisschen.
                    Ich liebe die Frauen. Aber lieben Sie mich? Sie erzählen mir
                    ihre Geschichten, vielleicht. Sie wollen mir keinen Vorwurf
                    machen. Sie sind seit Wochen durch den Wind. Sie haben
                    sich, das glaubst Du nicht, total verliebt. Sie lassen sich
                    gerne was schenken. Sie müssen ihren »Home-Day«
                    machen.
Steak:         Fangen wir an?
Hack:          Spritz ab, alter Junge. Lass sie nicht so lange warten.
Steak:         Herzschrittmacher. (stöhnt)
Hack:          Hör doch auf, so zu stöhnen. Was spielst Du mir vor?
Steak:         Herzschrittmacher.
Hack:          Lass mich nicht hängen. Mach weiter. Mach weiter.
Steak:         Ich kann nicht mit jedem kommen. Das wäre auch gar nicht
                    normal.
Rump:        (stöhnt)

Rump:        Ich liebe die Frauen. Ich habe Kondensmilch. Ich werde
                    mich noch ruinieren.
Hack:          Och!
Steak:         Mit Fahrgeld 160.
Hack:          Das kostet, das Leben.
Rump:        Machst Du auch Fotos?
Steak:         Nein.
Rump:        Warum nicht?
Steak:         Ich mache das nicht.
Rump:        Machst Du auch Fotos?
Steak:         Das kommt auf den Preis an.
Rump:        Für mich ist das viel Geld, weißt Du.
Hack:          Was soll der Quatsch? Willst Du feilschen?
Rump:        Das Warten ist schrecklich.
Hack:          Gleich kommt sie, gleich kommt sie!
Rump:        Was hältst Du von Reizunterwäsche?
Hack:          Ich weiß nicht.
                    Sie riecht gut.
Rump:        Du riechst gut.
Steak:         Aber nicht auf den Mund.
Hack:          Sie wird Brüste haben und Schenkel und Haare. Augen und
                    Brüste und auch einen Arsch. Ich werde ihre Brüste kneten.
                    Ich werde ihre Brustwarzen  küssen. Ich werde sie kneten
                    und küssen.
Rump:        Ich habe Kaffeesahne.
Hack:          Der Wagen liegt gut in der Kurve.
Steak:         So viel weiß ich. Und so viel steht fest. Das ist mein Werk.
                    Ich werde es Dir besorgen, mein Junge. Ich werde Dir was
                    stöhnen. Du bist gar nicht übel. Bisschen mager. Obenrum.
                    Du musst mal was Richtiges essen! Aber übel bist Du nicht.
                    Kein schlechter Hintern. Du hast schöne Augen.
Rump:        Nein, noch nicht oft.
Steak:         Können wir das mit dem Geld klären?

Hack:          Und jetzt kniet sie nieder.
Rump:        (stöhnt)
Steak:         Ich heirate bald. Nur so. Wegen der Papiere.
Hack:          (ahmt das Geräusch eines Steaks in der Pfanne nach)
Steak:         Ich hab‘ mir einen Hund gekauft. Willst Du mal sehen?
Rump:        Machst Du auch Fotos?
Steak:         Nein, so etwas mache ich nicht.
Hack:          Das kostet, das Leben. Doch es macht keinen Ärger.
Rump:        Ich liebe die Frauen. Ich schiebe einen Gitterwagen durch die
                    Gänge und frage, was mir fehlt.
Steak:         Ich bin schon zwei Jahre allein.
Rump:        So viel weiß ich. Und so viel steht fest.
Steak:         Vor kurzem hatte ich einen Freund. Jetzt hab‘ ich wieder
                    angefangen. Er weiß nichts davon.
Rump:        Ich habe Kondensmilch.
Hack:          Die Flecken im Bett sind von mir.
Steak:         Ich habe »nein« gesagt. Ich mache, was ich will. Wenn ich
                    nicht arbeiten will, dann sag ich das auch. Manchmal geh
                    ich lieber tanzen. Oder trinken.

Rump:        Das ist eine Freundin.
Steak:         Und das?
Rump:        Eine andere Freundin.
Steak:         Hast Du ein Handtuch?

Hack:          Das Leben macht süchtig. Wenn man einmal damit anfängt,
                    kann man gar nicht mehr aufhören.
Steak:         Ich such‘ eine größere Wohnung.
Rump:        Du bist wirklich schön.
Hack:          Was für ein Hintern!
Steak:         Ach, Quatsch, ich bin hässlich.
Rump:        Ich liebe die Frauen. Doch lieben sie mich? Sie machen sich
                    schlecht. Sie machen sich alle zum Feind. Es prickelt ganz
                    einfach nicht mehr. Sie hoffen, dass wir es irgendwann
                    schaffen.
Steak:         Heiraten sollte man, find‘ ich, auf Zeit. Zwei Jahre, und dann
                    nochmal jucken.
Hack:          Was für ein Hintern!
Rump:        Sie meinen, es könnte Ihnen jetzt mal wieder was Gutes
                    passieren. Sie beschließen, vorsichtshalber vernünftig zu
                    sein. Ich wisse, sie schmissen mich hinterher raus.
Steak:         Vielleicht sieht man sich wieder?!
Rump:        Ja, vielleicht.
Hack:          Das kostet, das Leben.
Rump:        Ich habe Kondensmilch.
Hack:          Die Flecken im Bett sind von mir.
Rump:        Es riecht noch ein wenig. Und da ist ein Ohrring. Von ihr.
                    Den hat sie vergessen. Das Warten ist schrecklich.
                    Hallo?
                    Ja, ich hab ihn schon gefunden.
Steak:         Vielleicht bin ich ja mal in der Nähe.
Rump:        Geheimnis, tritt näher.

Rump:        So geht es nicht weiter. Ich werde mich noch ruinieren.
Hack:          (improvisiert einen fröhlichen Rhythmus)
Steak:         Das ist gut.
Rump:        Gefällt es Dir?
Steak:         Ich hab‘ Zahnweh.
Rump:        Ich zieh‘ mich schon mal aus.
Hack:          Die nehme ich immer bei Kopfschmerz.
Rump:        Und heute ganz in weiß?
Steak:         Ich komme in Frieden.
Rump:        Ich auch.
Steak:         Du hast kalte Hände.
Hack:          Das gibt sich.
Steak:         Du auch.
Rump:        Du hast kalte Füße.
Steak:         Ich hab‘ kalte Füße.
Rump:        Ich liebe die Frauen. Ich habe Kondensmilch.
Hack:          Die Flecken im Bett sind von mir.
Rump:        Willst Du was trinken?
Steak:         Was hast Du?
Rump:        Cola, Wasser, Saft…
Hack:          O-Saft.
Steak:         Ich nehme eine Cola.

zuerst erschienen in: Freie Zeit Art Nr. 8, Wien 1993; Wohnzimmer Nr. 8, Wien 1993

MAKROVISIONEN ODER: ZWEI SAHNETORTEN SUCHEN UNTER EINER FAHNE NACH WORTEN

Dunkel. Schlagartig Licht.
A (der Mann) und B (die Frau) sitzen nebeneinander, zentral.
Beide tragen Alltagskleidung und haben Weizenbiergläser,
die sie wie Feldstecher handhaben, vor Augen. A schaut starr
in den Zuschauerraum, B schaut bald hierhin, bald dorthin.

A: Es sieht schlecht aus.
B: (dreht sich zu A) Du siehst schlecht aus.

A dreht sich zu B, so dass sie sich jetzt, Weizenbierglas an
Weizenbierglas, gegenübersitzen. A und B, in sehr schnellem
Wechsel:

A: Ja, wer…
B: sind denn Sie?
A: Guten Tag!
B: Guten Tag!
A: Sehr angenehm!
B: Ich bin entzückt!
A: Ich werd‘ verrückt!
B: Das halte ich –
A: im Kopf –
B: nicht aus.
A: Ja, ei verbibscht!
B: Verflixt nochmal!
A: Dass es sowas –
B: heut noch gibt!
A: Und hundert Gramm –
B: vom Hahnenkamm.
A: Da ham –
B: wir ja –
A: wohl Glück –
B: gehabt!
A: Das Ego schweigt.
B: Die Spannung steigt.
A: Ich liebe Dich,
B: denn es genügt
A: nicht, wenn man sich
B: nur selbst betrügt.

A und B setzen sich Rücken an Rücken und nutzen die Gläser als
Fernrohr:

A: Ich glaube, wir sehen wohl beide das Gleiche.
B: Was siehst Du denn?
A: Eine glückliche Zukunft.
B: Für wen?
A: Für mich. Und Du?
B: Ich sehe ein kleines Problem.
A: Für wen?
B: Für Dich.

B tritt an den Bühnenrand vor und kauert sich, die Gläser nach unten
gerichtet, zu Boden. A stellt sich hinter sie und schaut in die Ferne:

A: Wo bist Du?
B: Am Boden.
A: Tatsache ist doch –
B: Die Wahrheit tut weh.
A: Das, was uns gut tut –
B: Ich sehe nur Schnee.
A: Ich bin nicht von gestern –
B: Scheiß Fernsehn! Ich geh.

A legt sich auf die Stühle, auf denen A und B zuerst gesessen haben.
B setzt sich auf ihn. Sie halten die Gläser wie ein Telefon und
sprechen durcheinander:

B: Ich habe mir heut‘ neue Schuhe gekauft. Und wie geht es Dir?
A: Das ist wahre Lebensfreude!
B: Ich habe mir heut‘ neue Schuhe gekauft. Und wie geht es Dir?
A: Das ist wahre Lebensfreude!

A stellt sich auf einen der beiden Stühle, das eine Glas wie ein
Mikrofon haltend. B sitzt unbeteiligt daneben:

A: Es waren mal zwei Königskind, das eine war vor Liebe blind, das
andre war geschwind, geschwind. Und gab gern Gas.
B: Hast Du auch Spaß?
A: Und es war Krieg und Republik, und eines fraß des andern Samen,
derweil sie nie zusammen –
B: Amen!

A und B sitzen wie zu Anfang nebeneinander:

B: Weißt Du, wenn zwei das Gleiche sehen, dann heißt das noch
lange nicht, dass sie beide –
A: gut aussehen.

A und B wenden sich zueinander, schauen sich an. Sie sprechen im
Chor:

A und B:
Ich hätte Dir gern –
in die Seele gebissen, –
leihst Du mir nochmal –
Dein Ohr?
Doch darauf ist jetzt wohl –
geschissen.
Schau zurück und –
sieh Dich vor.

zuerst erschienen in: Freie Zeit Art Nr. 5, Wien 1993

EIN HAAR IN DER SUPPE

„Nimm doch mal die Hand aus der Suppe. Das sieht ja widerwärtig aus, mit den dreckigen Fingernägeln und dem Ekzem! Wer soll denn das noch essen?“ – „Vorhin hast du noch gesagt, ich soll meine Hand in die Suppe legen, dafür leg‘ ich meine Hand in die Suppe, wenn‘s recht ist.“
„Na klar hab‘ ich das gesagt, aber gemeint hab‘ ich Mach mal das Fenster auf und nicht Lege die Hand in die Suppe.“ – „So, so.“
„Nimmst du sie jetzt raus, oder was?“ – „Ja, ich nehme jetzt die Hand aus der Suppe. Obacht.“ – „Und mach das Fenster auf.“ – „Warum soll ich das Fenster aufmachen?“ – „Du hast noch immer die Hand in der Suppe.“ – „Kuck mal, die Fingernägel sind schon fast sauber, und die Bläschen da, ich weiß nicht, vielleicht ist Suppe ja gut für mein Ekzem, was meinst du?“ – „Mach das Fenster endlich auf.“ – „Warum?“ – „Na, warum wohl?“ „Du gehst mir auf die Suppe.“ – „Klar, was denkst du denn?“ – „Ich nehme meine Hand nicht raus, wenn du springst.“ – „Nimm die Hand aus der Suppe.“ – „Nicht, wenn du springst.“ – „Ich soll nicht springen?“ – „Du kochst gute Suppe.“ – „Und du legst deine Finger rein.“ – „Entschuldigung. Ich nehme jetzt die Hand raus.“ – „Mach das Fenster weit auf.“ – „Die Suppe ist gut. Wirklich. Mein Ekzem ist schon fast weg.“ – „Du ekelst mich an.“ – „Na, dann spring doch.“ – „Ich soll durch die Scheibe sprin­gen?“ – „Ich nehme meine Hand nicht aus der Suppe, wenn du springst.“ – „Na schön, dann springe ich eben nicht. Los schon, mach das Fenster auf.“ – „Versprochen?“ – „Versprochen.“
„Das Fenster könnte man auch mal wieder putzen.“ – „Das kannst du ja dann machen.“ – „Stimmt, ich glaube, ich bin dran.“ – „Mir ist es wurscht, ob du es putzt, oder nicht.“
„Du springst doch, hab‘ ich Recht?“ – „Ja.“ – „Du machst wirklich gute Suppe. Und auch sonst. Du wirst mir fehlen.“ – „Danke.“ – „Gibst du mir noch das Rezept?“ – „Ich hab‘s auf­ge­schrieben.“ – „Prima.“ – „Und du? Was machst du noch so heute?“ – „Ich weiß noch nicht. Das Ekzem und so… Vielleicht spring ich auch.“ – „Ich hab Hunger.“ – „Es ist noch Suppe da.“ – „Essen wir gemeinsam?“ – „Gern, ich hol schon mal die Teller.“ – „Nimm die tiefen, aus der Vitrine.“ – „Okay.“ – „Zwei Kellen?“ – „Ja, erstmal zwei. Danke.“
„Schmeckt.“ – „Schmeckt wirklich gut.“ – „Danke.“ – „Das Fenster ist jetzt offen.“ – „Ja, danke.“ – „Du kannst jederzeit springen.“ – „Ich esse erst noch die Suppe.“ – „Logo.“ – „Da ist ein Haar in der Suppe.“ – „Tatsächlich.“ – „Kuck doch mal, wie lang das ist. Von mir ist das nicht.“ – „Von mir ist es auch nicht. Ein Haar in der Suppe, haha.“ – „Weißt du noch, in Salzburg, da hattest du auch immer deine Hand in der Suppe.“ – „Stimmt. Das war lustig.“ – „Lustig ist gut. Zum Totlachen war‘s. Einer nach dem anderen kam rein und sagte Seht mal, der hat ja seine Hand in der Suppe, und du hast die Kartoffelstücke rausgeschnippt und Kartoffeln mag ich nicht so gesagt, und dann haben alle ihre Hand in die Suppe gelegt und Kartoffeln rausgeschnippt…“ – „Wann springst du?“ – „Wenn ich fertig bin.“ – „In der Suppe sind keine Kartoffeln.“ – „Du magst ja auch keine.“ – „Nein.“

Eine Stadtmöwe setzte sich auf das Küchen-Fensterbrett der Wohngemeinschaft der beiden und schnitt ihr Gespräch auf einem Sony-DAT-Recorder mit, damit es der Nachwelt erhalten bliebe. DAT-Recorder waren zu dieser Zeit außerordentlich erschwinglich geworden, und die Stadtmöwe hatte sich einen alten Traum erfüllt, als sie sich das Gerät erschwang. Sehr dunkel, so etwa im Farbton eines seit sechs Jahren nicht geputzten Fensters, schwante ihr, dass sie ihr Leben eines Tages in einer Fahrbahn-Rinne, müden Auges und unappetitlich, beenden würde. Dann zog sie sich auf ihren Lieblingsplatz, den Schornstein des Hauses, zurück.