Als Jesse serviert uns Christina Applegate typisch amerikanische Comedy-Kost nach bewährtem Rezept: Man nehme eine herrlich neurotische Sippe und zeige ihren von aberwitzigen Missgeschicken und liebevollen Streitereien begleiteten Alltag. Nichts grundsätzlich Neues also, dafür aber solide TV-Unterhaltung mit einigen hübschen Details: Neben der beziehungsgeschädigten Jesse, allein erziehend und nahezu ausschließlich von Männern umgeben, stellen hier auch solche Menschen ihre Schlagfertigkeit unter Beweis, die mit einem Schweigegelübde doch arg gehandicapt sind.
Comedy
Townies (1996)
In Townies, einer Sitcom für unentwegte Couchpotatoes, gehen die drei Freundinnen Carrie, Shannon und Denise bei ihren Anstrengungen baden, der Langeweile ihrer Kleinstadt an der Küste von New England zu entgehen. Doch nicht nur ihr Provinzkaff erweist sich dabei als übelriechende Kloake (die erste Folge wird bezeichnenderweise auf dem Männerpissoir eröffnet), auch die bemüht auf subversiv getrimmten Gags aus der Feder von Matthew Carlson stinken schon ziemlich – wie die einfältigen Spießer dieses Hafenstädtchens – nach Fisch. An Schlagfertigkeit jedenfalls können Molly Ringwald, Jenna Elfman und Lauren Graham den früher auf diesem Sendeplatz agierenden „Golden Girls“ nicht das Wasser reichen.
Schulmädchen (2002)
Was macht eine Gymnasiastin, die es aus Passau, der „Weltzentrale für Altkleidersammlung“, in die mondäne Metropole München verschlägt? Ganz klar: Sie brezelt sich nach dem Vorbild ihrer anderen Klassenkameradinnen auf und schreckt vor keinem Mittel zurück, um auch möglich bald zu den oberen Zehntausend zu gehören. Spätestens seit den so genannten Aufklärungsfilmen der 70er Jahre sind die spezifischen Leiden hormongesteuerter Backfische gegessen – und von der verheerenden Wirkung der bayerischen Hauptstadt auf junge Provinzgirls wissen wir eh. So lehrt uns auch die erste Unterrichtseinheit Schulmädchen nichts Neues, wenn sie Patentrezepte wie „Isolieren, abfüllen, scharf machen“ für den Männerfang empfiehlt. Diese „vier bildhübschen Münchnerinnen im Alter von 16-18 Jahren“ fordern nach streng hedonistischem Prinzip ihren Anteil an einer egoistisch-materialistischen Welt und katapultieren das intellektuelle Niveau der Teenie-Komödie auf den Stand der 80er Jahre zurück. Keine Ahnung, wen dieser „Backdoorpilot“ aus dem Hosenstall hervorlocken will …
Wir vom Revier (1999)
Menschen, die nicht über sich selbst lachen können oder wollen, gehen oft mit der irrigen Annahme von SAT.1 konform, dass Schadenfreude die schönste Freude sei. Für eben diese Zeitgenossen wirft der Sender „einen augenzwinkernden Blick hinter die Kulissen des Beamtenalltags und präsentiert ‚Deinen Freund und Helfer‘ als verschnarchte Karikatur seiner selbst“. Die gähnend langweilige Polizistenverarsche Wir vom Revier setzt eine deutsche Comedy-Tradition fort („Hausmeister Krause“!), die nicht immer, aber immer öfter dümmer ist als erlaubt. Platter und klischeebeladener geht‘s nimmer – da wird auch Marco Rima von der Wochenshow, unter Kim Kübler, Thommi Baake, Michael Trischan, Roland Baisch, Felix Benesch, Namali Schleberger, Beatrice Masala und Egon Wellenbrink wohl der Gaststar der „Gaststars“, nichts ausrichten können.
Alle lieben Raymond (1996-2005)
Alle Menschen lieben es bekanntlich, auf dem Sofa zu sitzen, zu fernsehen, riesige Portionen sahniges Eis zu verdrücken und sich an der Hose rumzufummeln. Das ist sozusagen der gemeinsame Nenner der Menschheit, einer schrecklich netten Familie, die ob der Mühsal und der Entbehrungen des Lebens bisweilen all ihre hehren Ziele vergisst und nur noch irgendeine Sitcom einschalten möchte, um wieder etwas abzuschalten und mitzuerleben, dass es den anderen Familienmitgliedern auch nicht besser, vielleicht sogar noch schlechter geht. Aus eben diesem Grunde gibt es Typen wie Al Bundy, die ständig auf dem Sofa sitzen, fernsehen, fressen und saufen, und sich permanent am Sack rumkraulen, auf Fernsehbildgröße geschrumpfte Doubles der Dummheit, deren Klappe größer als ihr IQ ist. Wer über Al Bundy lacht, lacht über sich selbst, und das gleiche gilt auch für seinen jüngsten Bruder im Geiste. Auch Raymond (Ray Romano), weniger derb zwar, aber mit einem ebenso trockenen Witz ausgestattet, sitzt am liebsten auf dem Sofa, um fernzusehen, gigantische Portionen sahnigster Eiskrem zu verdrücken, und so weiter. Auch er hat eine Frau und Kinder, und auch ihn plagen die Mühsal und die Entbehrungen des Lebens. Und deshalb wird man ihn auch hierzulande lieben, etwas, dass die Amerikaner sich bereits seit 1996 zu erlauben erdreisten: Alle lieben Raymond.
Cybill (1995-1998)
Die amerikanische Sitcom Cybill um eine Schauspielerin jenseits der magischen Altersschallmauer von 40 (Cybill Sheridan alias Cybill Shepherd) lebt von einer schrecklich netten Neurotikertruppe. Abgesehen von ihren beiden Töchtern Zoey (Alicia Witt) und Rachel (Dedee Pfeiffer) und den beiden Ex-Ehemänner Jeff (Tom Wopat) und Ira (Alan Rosenberg) wird Cybill auch ständig von ihrer besten Freundin Maryann (Christine Baranski) belagert. Weitere Pluspunkte der Serie sind ihr trockener Witz und die ironischen Spitzen auf die Verlogenheit des Menschen im Allgemeinen und des Filmgeschäfts im Besonderen. Wo sonst hört man so herrlich ehrliche Bekenntnisse wie „Freitags sitz‘ ich eigentlich immer zu Hause und zwick‘ mich, bis ich blute“ oder „Tut mir leid wegen der Verspätung, aber diese Sitzungen der anonymen Kokser dauern immer ewig“?
Höllische Nachbarn (1998)
Mitunter schreibt das Leben tatsächlich die besten Pointen. Genau das muss sich auch Rüdiger Jung, Produzent und Autor der „Realsatire über Nachbarschaftskriege“ Höllische Nachbarn, gedacht haben. Leider bewegt sich der Witz der im hauseigenen RTL-Comedy-Letter treffenderweise als Comedy-Satire bezeichneten Reihe auf demselben Niveau wie ihre „authentischen Fälle“ kleingeistiger Streitereien an der Gartenzaungrenze. Die Episode „Besoffen – Das Beweis-Video“ zum Beispiel gipfelt in humoristischen Evergreens wie „Kerle, Kerle, hat die einen Balkon. Das verstößt glatt gegen die Baunorm“ und ähnlichen Angriffen auf das Zwerchfell. Unser Urteil in erster Instanz: Öde, blöde, Hausverbot.
Armstrong & Miller (1997-2001)
Genie und genieren liegen dicht beieinander, genau wie Monet und Manet. Man muss schon sehr viel Humor haben, wenn man es sich als Komiker leisten kann, zuweilen kein bisschen witzig zu sein. Die erste von sieben Folgen der britischen Comedy Armstrong
& Miller beginnt mit einer Wasserleiche, die einfach nur zum Kotzen ist, um mit einer Schuldzuweisung der Hauptakteure an einen Darsteller zu enden. In der Zwischenzeit brennt das Duo – perfekt im Timing und immer auf der Höhe der Zeit – im Eiltempo der Feuerwehr ein heißes Eisen nach dem anderen an. Dabei schrecken Alexander Armstrong und Ben Miller auch nicht vor dem hemmungslosesten Quatsch und Seitenhieben auf Volltreffer wie „Ganz oder gar nicht“ zurück. Nicht verpassen!